Ein Text von Geraldine Oetken
Eine Kleine, eine Mittlere, eine Große, ein Gürtel, eine Krone – das klingt wie der Beginn eines Märchens. Dabei schürfen sie aneinander. Die erste Säule kann und will ohne die zweite nicht stehen. Obwohl sich alles zu einer Seite lehnt, braucht der höchste Turm, die Krone selbst, die erste kleine, schmucklose beinahe-Säule, um sich so in die Höhe schrauben zu können. Sie alle brauchen sich. Die schwere Bronze braucht den schnöden Gips, um so stabil daher zu kommen. Die hellen, glatten, schlangenkalten Flächen im Gips will das gepickelte, dunkle Metall, um sich schöner zu fühlen. Der Elefantenfuß (2014) von Margarete Albinger ist kein entweder und kein oder. Das Material schärft sich im Kontrast. Drei Säulen bauen zwei Bögen, eigentlich wäre das doch ein Tor, sodass ein Besucher von der einen zu einer anderen Welt gelangen würde. Da sind wieder die Märchen, die Mythen, die Fabeln, die Geschichten, die ständig wie ein störrischer Wind um die Arbeit herum wehen. Nur ein Schritt durch das Portal und der Besucher ist vielleicht schon dort. Das Portal ist gerade und starr, aber eigentlich greift alles zur Krone. Es zieht sich in die Länge, um besser heranzukommen, wird Krake, wird Leiter. Nochmals hingeschaut aber steht das Tor wieder still. Die Bewegung ist der eigene Blick. Der Gips ist kalt und dicht. Eine Erinnerung an Feuchtigkeit, die Bronze rau wie die Hornhaut alter, runzeliger Frauen. Die Säulen sind Schneewittchen und die Böse Stiefmutter in einem. Aber welches Teil genau wen verkörpert, wechselt mit dem angebrachten Märchen, mit der erzählten Fabel, mit der Stimme des Großmütterchen. So plump wie die Kritik ist: ich mag sie, die Säulen, das Tor. Ich mag Zeit bei ihr verbringen, mag sie anfassen, in ihrem Staub sitzen, aus dem Muster der Oberflächen der Geschichte lauschen. Ich mag hin- und herspringen zwischen dem diesseits und dortseits, den beiden Seiten des Portals. Wenn ich später dann die Gipskrümel in den Ritzen meiner Schuhsohlen sehe, dann will ich mich an die Spuren erinnern, die der Elefantenfuß hinterlassen hat.
Vita